Follow Me

Friedhofsfotografie – Die Sprache der Grabsteine

Fotografische Reflexionen von einem Friedhofsspaziergang

Am kommenden Sonntag, wenn die letzten  herbstlichen Nebelschleier des Novembers langsam vor der nahenden Ruhe des Winters flüchten, werden wie jedes Jahr viele Menschen mit Blumen und Kränzen bepackt auf die Friedhöfe spazieren. Der Ort, den viele Lebende für gewöhnlich meiden, wird an diesem Tag mit Leben erfüllt. Am Totensonntag gedenken wir den Verstorbenen. Es ist ein Tag des Innehaltens und der Reflexion. Der Ewigkeits- oder Totensonntag, wie er im Volksmund genannt wird, schließt sich an eine Kette von Trauer- und Gedenktagen an und markiert den  Ausklang des Kirchenjahres. Ein Zyklus geht zu Ende und mit dem Advent und der Weihnachtszeit beginnt ein neues Kapitel.

Friedhofsfotografie

In der protestantischen Tradition nimmt der Totensonntag einen besonderen Stellenwert ein, vergleichbar mit dem katholischen Gedenken der Seelen am Allerseelentag. Doch während an Allerseelen in den Kirchen Kerzen flackern und für die Verstorbenen gebetet wird, laden viele evangelische Gemeinden am Totensonntag dazu ein, nicht nur der Verstorbenen zu gedenken, sondern auch einen Moment innezuhalten und über den eigenen Lebenspfad zu sinnieren.

Friedhofsfotografie

Für uns Fotografen sind Friedhöfe ein Spiegelbild der Gesellschaft, so wie die Fotografie ja bekanntlich ein Spiegelbild der Seele ist. Wir sind neugierig auf die unterschiedlichen Traditionen, aber auch auf die menschlichen Geschichten, die hinter dem Stein, dem Kreuz oder der betenden Steinfigur stehen, auch wenn die einzige Information oft nur ein kaum lesbares Datum ist. Jeder Stein ist ein Kapitel; jede Inschrift eine Welt für sich.

Friedhofsfotografie

Unterwegs sind wir zuerst auf dem historischen Dorotheenstädtischen Friedhof und Französischen Friedhof im Herzen von Berlin-Mitte, wo die Gräber von Dichtern, Denkern und auch Schauspielern wie zum Beispiel Otto Sander, der hier seine letzte Ruhe gefunden hat, stumme Zeugen längst vergangenen Zeiten sind. Der Friedhof in der Nähe der Friedrichstraße zählt auch bei Touristen zu den beliebten Sehenswürdigkeiten in der Stadt. Hier liegen unter anderem begraben:

  • Die Schriftsteller Heinrich Mann, Arnold Zweig und Anna Seghers
  • Regisseur Heiner Müller
  • Die Baumeister  Karl Friedrich Schinkel und Friedrich August Stüler 
  • Berthold Brecht und Helene Weigelt
  • Bundespräsident Johannes Rau und die Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley
  • Auf dem Gelände befindet sich ebenfalls der Französische Friedhof. Viele Nachfahren der Hugenotten haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Zahlreiche schöne Grabmale in klassizistischen Stil schmücken die Gräber.

Friedhofsfotografie – Jüdischer Friedhof Weißensee

Friedhofsfotografie

Anschließend erkunden wir den jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee, dessen ausgedehnte Grabfelder und altehrwürdige Grabsteine Zeugen einer reichen, von Höhen und Tiefen geprägten Geschichte darstellen. 42 Hektar ist dieses kulturhistorische Denkmal groß und mit über 115 000 Grabstellen der größte jüdische Friedhof Europas. Auch hier erzählen die Grabsteine sehr intensiv vom Leben, vom Leid und vom Sterben. Schlichte Grabsäulen wecheln sich ab mit architektonisch prunkvollen Grabanlagen. Hinter jeder verwunschenen Hecke wartet die nächste Geschichte auf den Betrachter. Wer aufmerksam die Wege entlangläuft, stößt zum Beispiel auf ein unscheinbares Gräberfeld mit lauter kleinen Grabsteinen. Sie tragen meist ein Datum aus dem Jahr 1900. Es sind Gräber kleiner Kinder, die aufgrund mangelnder Ernährung und schlechter hygienischer Verhältnisse oft nur wenige Tage oder Wochen alt wurden.

Berühmte Persönlichkeiten haben hier in Berlin Weißensee auf dem Jüdischen Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden, darunter unter anderem:

  • Schriftsteller Stefan Heym
  • Die Buchverleger Samuel Fischer und Rudolf Mosse
  • Kaufmann Adolf Jandorf. Er gründete das in aller Welt beliebte Traditionskaufhaus Kaufhaus des Westens (KADEWE)

Wer wer über diesen berühmten Friedhof erfahren möchte: HIER KLICKEN!

Wichtig: Männliche Friedhofsbesucher müssen eine Kopfbedeckung tragen!

Der Friedhof als Tabuzone? Mitnichten.

https://www.friedhof-hamburg.de

Am kommenden Sonntag werden wir natürlich auch mit Kerzen und Blumen gerüstet unseren Friedhof besuchen und an Menschen denken, die uns in den vergangenen Jahren verlassen haben. Aber dann ohne Kamera. Der Friedhof gehört an diesem Tag dann wirklich nur den Lebenden und den Toten.

Friedhofsfotografie – Regeln für das Fotografieren auf dem Friedhof

Zugegeben: Auf dem Friedhof die Kamera aus der Tasche zu holen und Bilder zu machen, ist nicht immer ganz leicht. Ein wenig Überwindungskraft gehört dazu. Auch bei uns und wir machen das jetzt schon ein paar Jahre. Doch gerade hier an diesen Orten finden wir eine magische Ruhe, die draußen in der hektischen Welt selten geworden ist. Hinter jeder Friedhofsmauer beginnt ein anderes Universum. Und es gibt viel zu entdecken: Geschichten, Tiere wie Vögel und Eichhörnchen, und vor allem eins: schöne Motive. 

Darf ich überhaupt auf einem Friedhof fotografieren?

Ja und nein. Generell ist das Fotografieren auf Friedhöfen erlaubt, da sie meist öffentliche Orte sind. Wer jedoch gewerblich fotografieren möchte, benötigt eine Genehmigung, was in der Regel bereits am Eingang in der Satzung vermerkt ist. Eine Ausnahme bilden privat betriebene Friedhöfe, bei denen das Hausrecht beim Besitzer liegt. Dieser kann das Fotografieren untersagen. Wenn das Fotografieren ausdrücklich verboten ist, muss dies beachtet werden. Wichtig: Lasst die Drohnen in der Tasche, denn sie haben auf einem Friedhof nichts zu suchen und sind zudem verboten.

Die Sache mit dem Datenschutz

Grabsteine dürfen abgelichtet und zum Beispiel ins Netz gestellt werden. Laut dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB § 823 Abs. 1, §§ 1004, 903) erlischt das Recht auf Datenschutz mit dem Tod der Person. Man muss daher die Daten des Grabsteins weder verpixeln noch sonst irgendwie unkenntlich machen. Urteil dazu gefällig? Bitte: Amtsgericht Mettmann (Az.: 25 C 384/15) vom 16.06.2015. Man muss es aber nicht auf eine Konfrontation anlegen. Unter vielen Fotografen, die Friedhöfe als Motivspender für sich entdeckt haben, gilt ein ungeschriebener Codex: Keine vollständigen Namen. Es gibt schließlich viele andere schöne Motive zu entdecken.

Keine Menschen, keine Trauerfeiern, keine Trauerzüge

Für alle Personen, die auf einem Friedhof unterwegs sind, gilt das Persönlichkeitsrecht (und der Datenschutz). Das trifft selbstverständlich auch auf Trauerfeiern zu. Solche zu fotografieren, verbieten Anstand und Pietät.

Friedhofsfotografie
Facebooktwitteryoutubetumblr
redditpinteresttumblr

Schreibe einen Kommentar