Es ist der vorletzte Tag im Juni 2018. Unser Bulli mit dem Namen “Schrotti” brummt monoton über die Schotterpiste in den äußersten Norden Norwegens. Die Hafenstadt Kirkenes, Endstation der Postschiffe der Hurtigruten und letztes menschliches Bollwerk vor dem Eismeer, liegt hinter uns. Es geht nach Jakobselv, an das Ende der der Welt und an die Außengrenze der NATO. Weiter in den Osten kommen wir nicht. An der russischen Grenze ist für Normalsterbliche Schluss. Wer ein Visum besitzt, darf in Richtung Oblast Murmansk abbiegen. Wir haben keins, wollen aber wenigstens einen neugierigen Blick auf das verschlossene Nachbarland der Norweger werfen.
Gedanken zu Beginn
Warum schreiben wir heute, im Jahr 2022, über diese Reise? Ein Beitrag des NDR über die Region in Zeiten des Ukraine-Krieges hat Erinnerungen aufgeworfen. Wie mag es heute wohl sein, an dieser Grenze entlang zureisen im Wissen, dass das Land auf der anderen Seite des Flusses gerade dabei ist, die geopolitische Ordnung auf unserem Kontinent zu verändern? Den Link zur Sendung gibt es am Ende des Blogartikels.
2018 hätten wir nicht im Traum daran gedacht, dass an dieser Grenze wieder einmal eine Eiszeit zwischen den Menschen herrschen könnte.
Nicole und Jörg Krauthöfer
Auf der Schotterpiste an die Außengrenze der NATO
Das Abenteuer beginnt an der auf der Europastraße E 105 kurz vor dem Grenzübergang Storskog. Schon von weitem gut sichtbar, weht die norwegische und die russische Staatsflagge im Wind. Der pfeift heute ordentlich in der Finnmark. Die kleine Landstraße biegt hart ab und verschwindet in der weiten Tundra. Links gibt das Gebirge einen ersten Blick auf die Barentssee frei. Der Jarfjorden ist menschenleer, kein Schiff weit und breit zu sehen. Noch 50 Kilometer sind es bis zu unserem nächsten Ziel, der Grense Jakobselv am Eismeer. Wobei man die letzten Kilometer auf dieser Strecke genau an der Grenze zu Russland entlang fährt.
Kein Stacheldraht, keine Mauer
Nach einer Stunde Fahrt stoßen wir auf den Fluß Jakobselv. Er ist die Grenze zwischen dem Westen und dem Osten. Zwischen den demokratischen Staaten Europas und einer Diktatur. Keine Stacheldrahtmauer, kein Beton. Gelbe Pfeiler mit schwarzer Spitze markieren dabei den Verlauf der Grenze auf norwegischer Seite. Rot-grün gestreifte Pfosten den Grenzverlauf der Russen. Und Schilder bieten mehrsprachig Informationen sowie Hinweise zum Verhalten innerhalb der Grenzregion. Nur Einheimische dürfen im Grenzfluss angeln. Wer aus Versehen die Grenze überschreitet, riskiert, mit der russischen Armee im Schlepptau zurückgebracht zu werden. Harte Strafen sind für illegale Grenzübertritte vorgesehen. Die norwegischen Soldaten, die hier regelmäßig patrouillieren, geben gerne Auskunft und sind unter anderem zur Betreuung der Touristen hier vor Ort.
König-Oskar-II-Kapelle
Die Spitze der Kapelle mit dem klangvollen Namen “König-Oskar-II-Kapelle” ragt weithin sichtbar in den Himmel über der Barentssee. Da es um den genauen Grenzverlauf immer wieder Streitigkeiten gab, schlug ein norwegischer Marinesoldat vor, an dieser Stelle als Grenzmarkierung und Zeichen des Friedens eine Kapelle zu bauen. Sie wurde 1869 geweiht und 1873, nach dem Besuch König Oskars II., nach diesem benannt.
Jakobselv – das Ende der Welt
Das kleine Nest besteht aus ein paar Häusern, Fischerhütten, einem Mülleimer und einem großen Parkplatz mit einer schönen Sandbucht. Im Sommer tummeln sich hier Abenteurer aus der ganzen Welt, die einmal im Leben diese ganz spezielle Grenzerfahrung machen wollen. Der Blick über die lange Bucht Richtung Nordosten ist beeindruckend. Ganz am Horizont sind die Küsten von Poselok und Vayda-Guba im Oblast Murmansk zusehen. Unerreichbar und so fern liegen sie im Dunst der Barentssee.
Wäre die Erde eine Scheibe, könnte man vielleicht am Horizont die große russische Insel Nowaja Semlja sehen. Und etwas weiter nördlich davon läge vielleicht sichtbar das Archipel Prinz Georg Land beobachten. Dafür hat man vom Sandstrand in Jakobselv einen wunderbaren Blick über den Kobbholmfjorden in Richtung Varangerfjorden. Eine Übernachtung mit dem Wohnmobil ist ohne Probleme möglich. Zur Mittsommerzeit von Juni bis August geht die Sonne am Horizont nicht unter und man kann abends noch lange gedankenversunken auf das Meer schauen.
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Der Fernsehtip für den Abend
Diese aktuelle Reportage vom Ostseereport des NDR haben wir bei YouTube entdeckt. Moderatorin Kristin Recke erzählt von und über Menschen in dieser abgelegenen Region Europas, die mit dieser momentane verzwickten politischen Lage leben müssen. HIER KLICKEN ZUM LINK