Schorfheide: Natur im einstigen Sperrgebiet

Gut eine Fahrtstunde nördlich von Berlin beginnt das wilde Brandenburg. Die Schorfheide war zu DDR-Zeiten Sperrgebiet und ist heute noch ein kleines, geheimes Abenteuerland. Glasklare Seen, viel Geschichte, noch mehr Natur und viele Tiere warten auf die Besucher, die sich sich aus der Komfortzone der Hauptstadt herauswagen und hier auf Entdeckungstour gehen wollen.

Text erschien in der Berliner Morgenpost am 11. August2022. Klickt gerne rein auf der Suche nach mehr Inspiration.

„Luna, Ludwig, kommt her. Es gibt etwas zu futtern“. Wenn Imke Heyter täglich und pünktlich um 11 Uhr ihre beiden Luchse ruft, dann drängeln sich die Besucher des Wildparks Schorfheide bei Groß Schönebeck auf der hölzernen Aussichtsplattform vor dem Luchsgehege. Wildhüterin Heyter nimmt sich Zeit, ihren Gästen Wissenswertes über die beiden Raubkatzen zu erzählen. „Der Ludwig“, sagt sie zum Beispiel, „der geht bald in ein europäisches Auswilderungsprogramm nach Masuren in Polen“. Geraune im Publikum. „So etwas gibt es?“, fragt eine junge Dame neugierig und will noch wissen, was mit der Luchsmutter passiert. „Seine Mutter bleibt hier“, beruhigt Wildparkchefin Heyter.

Gut möglich, dass Jungluchs Ludwig bereits etwas von der drohenden Abschiebung ahnt. Er bleibt dem Mittagsmahl diesmal nämlich konsequent fern. Nur Luchsmutter Luna wagt sich nach endlos langen Minuten des Wartens vorsichtig aus dem dichten Unterholz. „Die Beiden nehmen mir bestimmt meinen dreiwöchigen Urlaub übel“ lacht Imke Heyter und macht sich auf den Weg, um die nächsten hungrigen Mäuler zu stopfen. Sechs Otter warten gleich um die Ecke auf den Lieferservice.

Schorfheide: Wildpark zum Staunen

Eine Fahrstunde von Berlin entfernt, mitten in der Schorfheide, liegt der Wildpark. Auf einer Fläche von 100 Hektar, das sind etwas mehr als 100 Fußballfelder, leben hier Elche, Wisente, Waschbären, Wildschweine und Wölfe Gatter an Gatter. Mittendrin auch eine Herde stolzer Przewalski-Pferde, die normalerweise mit donnernden Hufen über die Anlage galoppieren. An diesem Tag zeigt das Thermometer aber bereits zur Mittagszeit deutlich über 30 Grad, da machen auch die letzten europäischen Wildpferde lieber Siesta.

Wer sich über die Geschichte der Schorfheide informieren will, dem sei ein Besuch im Jagdschloss Schorfheide in Groß Schönebeck ans Herz gelegt. Das barocke Anwesen diente bereits Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. als Stützpunkt für seine Jagdleidenschaft. Das königliche Jagdhofamt sorgte dafür, dass die Schorfheide von größeren Waldrodungen über die Jahrhunderte verschont blieb. Die Ausstellung „Jagd und Macht“ im Jagdschloss bringt den Besuchern diese Ära mit vielen Originalexponaten näher.

Jagdschloss Hubertusstock: Heute ein Hotel in privater Hand

Einige Kilometer weiter endet eine holprige Forststraße mitten im Wald vor einem Metallzaun. „Privatgelände, betreten nur mit Erlaubnis“ steht in großen Buchstaben auf einem Schild. Vor neugierigen Blicken geschützt, steht hier das Jagdschloss Hubertusstock. Im Schweizer Baustil und im Auftrag von Friedrich Wilhelm IV. zwischen 1847 und 1849 errichtet, ist es heute als Hotel in privater Hand. DDR-Staatschef Erich Honecker hielt sich einst gerne hier auf. Ungestört, denn die Schorfheide war Sperrgebiet.

Das galt auch für das Jagdschloss Hubertusstock. Für Staatsgäste aber machten die Honeckers gerne eine Ausnahme. Am 11. Dezember 1981 etwa war der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt zu Besuch. Wer einen Blick in das Anwesen werfen möchte, muss sich online anmelden.

“Diese Gegend ist einfach traumhaft”

Der Werbellinkanal verbindet den Werbellinsee mit dem Oder-Havel-Kanal und führt durch wunderbar grüne Landschaft. Zwei Schleusen liegen an der sieben Kilometer langen Wasserstraße. Vor dem Askanierturm, wo der Kanal in den See mündet, genießen Max von Harsdorf und seine Freundin Masha auf ihren Paddelboards die einzigartige Kulisse. „Wir sind das erste mal hier am Werbellinsee. Diese Gegend ist einfach traumhaft“, erzählt der Kreuzberger Journalist begeistert. Über den Kanal führt an dieser Stelle eine hölzerne Brücke. Das Wasser im Fluss ist klar, man kann bis auf den Grund blicken. Die Böschung am linken Ufer gibt den Blick auf ein markantes Bauwerk frei.

Askanierturm war Drehort

Der Askanierturm auf dem Schlossberg ist berühmt. Die Schauspielerin Suzanne von Borsody glänzte hier 2009 in der Verfilmung „Rapunzel“ von Regisseur Bodo Fürneisen. Der Turm steht heute unter Denkmalschutz. Hinauf in luftige Höhen geht es allerdings nicht wie im Märchen an wallenden blonden Haaren, sondern mit reiner Muskelkraft. Den Schlüssel für die schwere Tür gibt es ein paar Meter weiter an der Theke des Cafés Wildau.

Der Werbellinsee ist der zweittiefste See Brandenburgs. Unzählige Wracks liegen auf seinem Grund und sind ein Paradies für Taucher. Um seine Entstehung rankt sich so manche Sage. Von einer reichen Stadt wird da berichtet, deren Bewohner aus goldenen Bechern tranken, von goldenen Tellern aßen und Schuhe aus purem Silber trugen. Ihr Reichtum aber machte sie geizig. Als ein Bettler um etwas zu essen bat, ließ man ihn links liegen. Nur ein einziger Mensch am Stadtrand war barmherzig.

Der träumte noch in derselben Nacht, dass er die Stadt so schnell wie möglich verlassen sollte. Unterwegs merkte er, dass er etwas Wichtiges vergessen hatte und kehrte um. An der Stelle der Stadt fand er aber nur noch einen großen See – den Werbellinsee.

Beim Fischer in Altenhof. Foto: J.Krauthöfer

Mit dem schneeweißen Dampfer zur Fischerkate

Nach Altenhof kommt man entweder mit dem Auto, dem Fahrrad oder mit dem Schiff. Dreimal täglich schippert ein schneeweißer Ausflugsdampfer von Joachimsthal in Richtung Wildau und zurück. Viele Passagiere wollen nach Altenhof. Brandenburgs Lieblingsdichter Theodor Fontane war hier. Seitdem heißt der runde Platz an der Anlegestelle Fontaneplatz. Ob es hier damals schon nach frisch geräuchertem Zander oder Aal duftete, ist nicht überliefert. Heute kommt kaum ein Besucher an der kleinen Fischerkate vorbei, ohne wenigstens einmal glückselig die Nase in den Wind zu halten.

Auf dem Flugplatz in Finowfurt

Alte Flieger in Finowfurt

In Finowfurt, am südlichen Ende der Schorfheide, wartet zum Abschluss der Tour noch ein Flugplatz auf Luftfahrtbegeisterte. Einst starteten hier erst deutsche und dann russische Militärflieger zu Übungs- und Aufklärungsflügen. Heute verfallen die Maschinen. Zu sehen sind ausgediente Hubschrauber und Jagdflugzeuge – vom ersten russischen Düsenjäger MiG 15 über die legendäre MiG 21. Auch eine Jak 28-R fristet auf dem Flugfeld ihr Dasein. Während des Kalten Krieges flog diese Maschine einmal zu Spionagezwecken über West-Berlin und geriet in Turbulenzen. Der Besatzung gelang die Notlandung auf der Havel, der Pilot ertrank.

Info Box

Übernachtungsmöglichkeiten, Gasthäuser und Sehenswürdigkeiten
Anfahrt
Mit der Bahn:
 S2 bis Karow, weiter mit der Niederbarnimer Eisenbahn RB 27 bis Groß Schönebeck, Dauer etwa 40 Minuten.
Mit dem Auto
 über die A11 bis zur Abfahrt Finowfurt und weiter auf der Bundesstraße 167 in Richtung Groß Schönebeck.
Mit der Buslinie
 Heideliner geht es an den Wochenenden und in den Sommerferien im Zweistundentakt vom Bahnhof Groß Schönebeck ins Biospährenreservat Schorfheide.

Essen
Anna’s Gasthaus, traditionelle polnische Küche, Seerandstraße 4B, 16247 Joachimsthal, Tel. 033361645030, geöffnet täglich von 11 bis 21 Uhr
Alte Fischerei, Am See 3, 16244 Schorfheide, Tel. 0333633141, geöffnet täglich von 11.30 Uhr bis 21 Uhr.
Restaurant Neue Schorfheide, Ernst Thälmann Straße 4916244 Schorfheide, Tel. 03339366222, geöffnet von mittwochs bis sonntags ab 12 Uhr.
Sehenswürdigkeiten
Jagdschloss Schorfheide, Schloßstraße 7, 16244 Schorfheide, Tel. 03339365777, Di.-So., 10 bis 12.30 Uhr, 13 bis 17 Uhr, Eintritt 7 Euro.
Kutschenmuseum Groß Schönebeck, Ernst-Thälmann-Straße 4, 16244 Schorfheide, keine festen Öffnungszeiten, Tel. 033393237
Kletterwald Schorfheide, Prenzlauer Str. 16, 16244 Schorfheide, täglich von 10 bis 19 Uhr, Erwachsene 19 Euro, Kinder ab 12 Jahren 16 Euro. Onlinebuchung erwünscht, www.kletterwald-schorfheide.de

Wildpark Schorfheide, Prenzlauer Str. 16, 16244 Schorfheide, Tel. 03339365855, täglich 9 bis 19 Uhr, letzter Einlass 17 Uhr, Eintritt 9, erm. 6,50 Euro, www.wildpark-schorfheide.de
Luftfahrtmuseum Finowfurt, Museumsstraße 1, 16244 Schorfheide, Tel. 033357233, geöffnet täglich von 10 bis 17 Uhr. 7, erm. 5 Euro.
Biorama-Projekt, Aussichtsturm mit Blick über das Biosphärenreservat Schorfheide. Kunstgalerie, Am Wasserturm 1, 16247 Joachimsthal, Tel. 03336164931, geöffnet bis 31. Oktober, Donnerstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr, Eintritt kostet 4, ermäßigt 1 Euro.

Facebooktwitteryoutubetumblr
redditpinteresttumblr

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert