Roadtrip durchs Kyritzer Land

Roadtrip durchs Kyritzer Land

Wer sich aufmacht auf einen Roadtrip durch das Kyritzer Land im Norden von Brandenburg, der begibt sich auf eine Zeitreise in die Vergangenheit. Es gibt geheimnisvolle Mumien zu entdecken, Rittergeschichten voller Tragik werden erzählt, mittelalterliche Städte warten auf staunende Besucher und in der Kyritz-Ruppiner Heide hat sich ein ehemaliger Militärübungsplatz in ein Naturparadies verwandelt. Das Kyritzer Land ist nichts für Langschläfer, es ist ein kleines Paradies für Entdecker.

Text erschien in der Berliner Morgenpost am 18. August2022. Klickt gerne rein auf der Suche nach mehr Inspiration.

Jeder gute Kriminalroman beginnt mit dem Fund einer Leiche. Warum sollte das bei einem Roadtrip durch das Kyritzer Land im Norden von Brandenburg anders sein. Zumal es sich um die berühmteste Leiche im ganzen Bundesland handelt. Vor gut 300 Jahren öffneten die Bewohner von Kampehl, einem Vorort von Neustadt an der Dosse, die örtliche Gruft und fanden drei Särge. In zweien lagen verweste Leichen, im dritten Sarg der mumifizierte Christian Friedrich von Kalebuz. Die Legende ward geboren und mit ihr unzählige Mythen. Es ging um Mord, Intrigen und einen Adligen, der hier in der Gegend sein Unwesen getrieben haben soll.

Roadtrip durchs Kyritzer Land - Das Grab vom Ritter Kalebuz
Hubertus Schünemann erzählt Besuchern die Geschichte vom Ritter Kalebuz
Roadtrip durchs Kyritzer Land - Das Grab vom Ritter Kalebuz


Eine perfekt konservierte Leiche

Die Mythen sind Hubertus Schünemann ganz große Leidenschaft. Er zeigt Touristen aus der ganzen Welt das Rittergrab und gibt sein gesammeltes Wissen über den Edelmann zum Besten. „Der Kalebuz war ein übler Zeitgenosse“, erzählt der 75-jährige, während neugierige Menschen die sterblichen Überreste bewundern. „Der hatte mal einen Schäfer umgebracht und den Mord geleugnet“. Der Legende nach soll Kalebuz vor seinem Tod gesagt haben: „Wenn ich doch der Mörder gewesen bin, soll mein Leichnam nicht verwesen“, so Schünemann weiter. Schaut man sich heute auf die Leiche an,
ist der Fall klar: schuldig. Warum der Leichnam von Kalebuz so perfekt konserviert wurde, ist ein wissenschaftliches Rätsel.


Wahrscheinlich hat die Bauweise seines Sarges, in den kaum Insekten gelangen konnten, zur Mumifizierung beigetragen. Seit der Entdeckung ist es aber auch mit der Totenruhe vorbei. Napoleons Soldaten stahlen die Stiefel des Toten, um daraus Bier zu trinken. Betrunkene Teilnehmer einer Hochzeitsgesellschaft im nahen Gasthof legten vor nicht allzulanger Zeit zur mitternächtlichen Stunde der frischvermählten Braut die Leiche vom Ritter in das Ehebett. „Das Geschrei war weithin hörbar“, erinnert sich Herr Schünemann. Ob die Ehe gehalten habe, will noch ein Besucher wissen. Schünemann zuckt mit den Schultern und schmunzelt.

Roadtrip durchs Kyritzer Land - Der historische Markt von Kyritz
Der historische Marktplatz von Kyritz

Auf nach Kyritz

Das kleine Städtchen Kyritz verwirrt mit einem Namenszusatz auf dem Ortseingangsschild. Kyritz an der Knatter steht in großen Buchstaben auf gelben Untergrund. Man vermutet einen Fluss. Der heißt aber Jäglitz. Den Begriff Knatter haben seinerzeit genervte Reisende erfunden, die sich vom Geknatter und Gedröhne der vielen Mühlen entlang der Wegstrecken gestört fühlten.

Wo man Ritter mit Hirsebrei besiegte


Spätestens im historischen Ortskern ist man verliebt in das Städtchen. Um den Marktplatz herum stehen liebevoll restaurierte historische Häuser und mittendrin der Bassewitzbrunnen. Raubritter Kurt von Bassewitz wollte im Jahr 1411 die Stadt Kyritz einnehmen, Frauen, Vieh und wertvolle Güter rauben. Er hatte die Rechnung aber ohne die Kyritzer Marktweiber gemacht. Die schütteten dem finsteren Gesellen ein paar Kannen heißen Hirsebrei übers raubritterliche Haupt. Man nahm ihn gefangen und Kurt von Bassewitz starb durch sein eigenes Schwert, welches noch heute im Rathaus aufbewahrt wird.
Ein paar Meter weiter öffnet täglich zur Mittagszeit die St. Marienkirche ihre Pforten, errichtet 1850 von Friedrich August Stüler. Kyritz war, weil es verkehrsgünstig an einem weit verzweigten Gewässersystem lag, sogar Mitglied der Hanse. Die Nordbrandenburger galten als besonders gute Bierbrauer. Das köstliche Gebräu mit dem markanten Namen „Mord und Totschlag“ war bald im Lande bekannt und steht auch heute noch bei Genießern hoch im Kurs.

Roadtrip durchs Kyritzer Land - Die St. Marienkirche von Kyritz
Blick in die St. Marienkirche

Roadtrip durchs Kyritzer Land – Ganz ist ein berühmter Drehort



Das Kyritzer Land ist dünn besiedelt. Wer sich abseits der großen Hauptstraßen bewegt, ist manchmal ganz allein unterwegs in der Landschaft und entdeckt geheimnisvolle Orte. Ganz ist ein solcher Ort. Das Dorf steht unter Denkmalschutz. 55 Menschen leben hier. Das alte kaputte Gutshaus in der Dorfmitte schreit nach einem Retter. Das Schloss, ein paar Meter weiter, hat seinen neuen Hausherren bereits gefunden. Denkmalgerecht restauriert, steht es mitten in einem kleinen Park und ist als Filmkulisse berühmt geworden. Schauspieler August Diehl glänzte hier in der Verfilmung „Der junge Karl“ in der Rolle des Karl Marx. Josefine Preuß, Heino Ferch, Wotan Wilke Möhring, Anja Kling, Christiane Paul und Katharina Wackernagel dreht Szenen der ZDF-Produktion „Das Adlon – eine Familiensaga. Auch Schauspieler und Regisseur Matthias Schweighöfer nahm in Ganz die Schlossklinke in die Hand und filmte „Die Nanny“.

Roadtrip durchs Kyritzer Land - In Ganz
Wo sind die Gutshausretter? Das alte Anwesen in Ganz wartet auf neue Besitzer.


In Kyritz muss man sich entscheiden. Bei Sonnenschein lockt der Bantikower See. Dort geht es ins Schwimmbad, zum Paddeln aufs Gewässer oder mit der Fähre „Polly Piffpaff“ auf die Insel. Die selben Sonnenstrahlen machen aber auch Lust auf die Kyritz-Ruppiner Heide. Vor allem abends, wenn sich der Tag langsam dem Ende nähert und das goldene Sonnenlicht sich magisch über Europas größtes Heidegebiet legt, lockt die unendliche Weite des ehemaligen Bombodroms.

Roadtrip durchs Kyritzer Land – Viele kommen wegen der Weite und der Ruhe


Vom Ort Temnitzquell führt eine schmale Schotterpiste tief in den Wald zu einem kleinen Wanderparkplatz. Sobald der Motor aus ist, gibt es kaum mehr Geräusche. Kein Brummen am Horizont, kein Gehupe, keine schreienden Menschen. Stattdessen Stille und Schmetterlinge, die auf Sträuchern sitzen und sich problemlos fotografieren lassen.
12.000 Hektar misst das Naturschutzgebiet Kyritz-Ruppiner Heide. Kaum zu glauben, das hier über 40 Jahre lang Bomben einschlugen, Bäume und Sträucher von Granaten verstümmelt wurden. Die russische Armee testete Raketen und Minen. Oliver Meyer steht auf dem Heideturm auf dem Sielmann- Hügel mitten auf dem ehemaligen Schießplatz.

 Kyritzer Heide
Blick vom Heideturm auf dem Sielmann-Hügel in die Kyritzer Heide

Er kennt die Heide gut, lebt hier und zeigt sie heute einer Bekannten aus der Stadt. An die Mondlandschaft kann er sich noch gut erinnern. Aber: „Die Natur hat mittlerweile ganze Arbeit geleistet“, erzählt er „Dort stand ein Bunker, dort ein Turm und dort Erich Honecker, wenn er sich auf Einladung der Sowjetarmee mal ein Manöver in der Heide anschaute“, sagt Meyer und zeigt in die Ferne, wo jetzt nur noch Wald zu sehen ist.

Noch immer liegt viel Munition verborgen



Seinen Schrecken hat das Areal immer noch nicht verloren. Besucher müssen auf den Wegen bleiben. Es liegt reichlich Munition im Sand, die jederzeit explodieren kann. Wenn sich die Dämmerung übers Land legt, bekommt auch die Redewendung „Der Letzte macht das Licht aus“ eine neue Bedeutung. Dann wird es nämlich dunkel in der Heide. So dunkel, dass man eine Taschenlampe für den Rückweg braucht. Wer kein künstliches Licht dabei hat, sollte kurz stehenbleiben und die Sicht auf die Sterne genießen.

- Kyritzer Heide
Ein Bläuling flattert durch die Heidelandschaft
Blühende Kyritzer Heide
Wenn die Heide leuchtet

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